L E S E P R O B E

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Viel Spaß beim Lesen

 

:)

 

 

 

Für meine Lieben

 

Kinder sind Inspiration“

 

Dieses Buch widme ich meinen

 

Kindern - zukünftigen Nachfahren und allen lese - und abenteuerbegeisterten Kindern.

 

Ich hoffe, ihr habt genauso viel

 

Spaß beim Lesen, wie ich

 

beim Schreiben hatte.

 

 

 

 

 

Herzlichst Eure Renate Roy

 

 

 

Renate Roy

 

 

Stupsi in Garmisch-Partenkirchen

 

 

 

I N H A L T S V E R Z E I C H N I S :

 

Kapitel 1:

Wie alles begann

Ein kleiner Hase fein - wollte mein Freund sein“

 

Kapitel 2:

Flieg kleiner Stupsi

Wer nicht hören will, muss fühlen

 

Kapitel 3:

Stefana Angst vor Bezimä

Das Mädchen mutig – die Knie blutig

 

Kapitel 4:

Nasses Vergnügen

Ein kleiner Schritt – ein Fehltritt

 

Kapitel 5:

Abenteuer mit der Wildgans

Flieg hoch kleiner Hase

 

Kapitel 6:

Majestätischer Berggipfel

Des Adlers Welt – die Freundschaft hält

 

Kapitel 7:

Das Wiedersehen

Was zusammen gehört – niemand zerstört

 

 

 

 

 

Kapitel 1

 

Wie alles begann

 

Ein kleiner Hase fein - wollte mein Freund sein“

 

 

 

Hallo Kinder, ich bin Stupsi, ein ganz besonderer Stoffhase. Ich bin schon an die 50 Jahre alt, habe immer eine blaue Wollhose und ein kariertes Hemd an. Meine großen blauen ovalen Augen verdrehe ich manchmal und alle sind dann immer entzückt von mir.

 

Wie alt ich genau bin, kann ich euch leider nicht sagen, da ich eigentlich nie eine richtige Geburtsfeier hatte. Dafür war ich an sehr vielen Geburtstagen meiner Mama dabei, wobei ich in meinem Leben eigentlich zwei Mamas hatte.

 

Meine erste Mama nannten alle immer Tante Erna. Das war eine etwas verrückte, aber außergewöhnliche Frau, mit der ich fast ganz Europa bereisen durfte.

 

Immer mit dabei war unser Freund Nepomuk, ein kleiner weißer VW-Käfer. Er war zwar nicht so bekannt wie der Fernsehheld Herbie, aber er war mein bester Freund. Mit ihm konnte ich immer über alles reden und meine Erlebnisse teilen. Er hörte mir immer zu, auch wenn ich mal traurig war, was allerdings sehr selten vorkam. An einem sonnigen Frühlingstag durfte ich zum ersten Mal zusammen mit Tante Erna und Nepomuk in ihre zweite Heimat Garmisch - Partenkirchen fahren.

 

Das ist eine Kleinstadt, die am Rande von Südbayern, an der Grenze zu Tirol in Österreich liegt. Sie liebte diese kleine Stadt am Fuße des größten Berges in Deutschland, der Zugspitze und einer gigantischen Bergkulisse, die aus der Alpspitze, den Waxenstoana und noch ein paar anderen Bergen besteht. Meine Tante Erna ging nämlich sehr gerne wandern und hatte mich dieses Mal mitgenommen.

 

 

 

 

 

Ich hoffte, dass ich auf den größten Berg, die Zugspitze kommen würde, das hatte ich mir fest vorgenommen. Die Kulisse, die sich uns bot, als wir Garmisch-Partenkirchen erreichten, war einfach göttlich, obwohl es etwas bewölkt war. Damit ich bisschen besser sehen konnte, hatte mich Tante Erna direkt ans Fenster gesetzt. Langsam zuckelten wir so auf Garmisch - Partenkirchen zu und selbst Nepomuk war davon so entzückt, dass er ein paar Fehlzündungen losließ und vor sich hin knatterte. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen und zog leicht die Mundwinkel hoch. Wir freuten uns wohl beide über die Berge.

 

Tante Erna bemerkte es Gott sei Dank nicht. Das war mal wieder mal typisch Nepomuk, der auf sich aufmerksam machen wollte. So wie der Fernsehheld Herbie selber hupen, das traute er sich natürlich nicht, denn das hätte wohl auch Tante Erna skeptisch gemacht. Aber ein paar Fehlzündungen waren bei einem alten Käfer nichts Ungewöhnliches. Meine Tante Erna war außergewöhnlich und etwas verrückter als andere Menschen, aber das hätte selbst sie nicht geglaubt, dass Nepomuk lebte. Auch in mir sah sie nur einen Stoffhasen, den sie sehr liebte und knuddeln konnte und der ihr immer zuhörte. Wie gerne hätte ich mit ihr geredet, doch das ging ja leider nicht.

 

Ab und zu nahm sie mich in den Arm, umarmte mich ganz liebevoll und küsste mich auf meine Stupsnase, an der ein paar Haare seitlich herausragten. Wie uns das beide immer kitzelte. Daher war sie wohl auf meinen Namen Stupsi gekommen.

 

Na Nepomuk, du bist wohl auch froh, dass wir bald da sind“, lachte jetzt Tante Erna, während sie sich mit einer Hand an den Nacken fuhr.

 

Die lange Fahrt hatte ihr zu schaffen gemacht und sie war froh, endlich anzukommen. Aber sie freute sich auf ihren Urlaub und auch dass sie ihren geliebten Freund Andi dort wiedersehen würde. Wir bogen gerade zum Parkplatz des Gästehauses ein, als uns schon ein kleines Mädchen freudig entgegen kam.

 

Da kommt endlich Tante Erna mit Nepomuk!“, schrie das kleine dunkelblonde Mädchen aufgeregt.

 

Ich spitzte meine langen Hasenohren. Was war denn das für ein kleines Mädchen? Sie sah total süß aus, mit ihren wirren Locken und sie hatte die gleiche Stupsnase wie ich und blaue Augen. Ich war vom ersten Moment an entzückt von diesem kleinen Mädchen.

 

Hu hu Renata, meine liebe Renata“, rief Tante Erna zurück und winkte mit der Hand aus dem Fenster.

 

Das kleine Mädchen lief jetzt aufgeregt auf uns zu. Tante Erna stoppte den Wagen auf dem Parkplatz, lief dem Mädchen entgegen und schloss es glücklich in die Arme.

 

Wer war nur dieses kleine Mädchen, das sie so herzhaft begrüßte? Ich wurde fast etwas eifersüchtig. Jetzt kam auch noch ein etwas größerer Junge aus dem Garten und schaute neugierig, wohin seine kleine Schwester gelaufen war. Ach so, es war nur Tante Erna.

 

Stefan, Stefan, Tante Erna ist da!“, kreischte Renate.

 

Stefana, komm doch auch her mein Großer“, rief ihm Tante Erna zu, doch Stefan interessierte das wenig. Tante Erna war für ihn nur eine verrückte, ältere Dame.

 

Hallo Tante Erna“, rief er gelangweilt, winkte kurz mit der rechten Hand seiner Tante und wollte verschwinden.

 

Renate zögerte nicht lange, nahm die Hand ihres Bruder und zog ihn hinter sich her.

 

 

 

Typisch dein großer Bruder“, meinte Tante Erna lächelnd, strich Stefan nur kurz über sein blondes Haar. Gemeinsam gingen sie nochmal zurück zu Nepomuk, um Tante Ernas Tasche zu holen, die am Beifahrersitz lag.

 

Oh mein Gott, wer ist denn das?“, murmelte Renate verzückt, als sie mich erblickte.

 

Meinst du im Auto? Das ist Stupsi, mein Hase. Ich habe ihn schon sehr lange und er war mir immer ein treuer Begleiter auf meinen Reisen. Ich habe ihn bisher nur noch nie mit hier hergenommen, weil ich mich vor meinem Freund dem Andi nicht lächerlich machen wollte.“

 

Dabei rollte sie lustig ihre Augen.

 

„Hi hi meine Tante Erna. Moi ist der aber süß“, meinte Renate entzückt, öffnete die Türe und nahm mich aus dem Auto. Sie betrachtete mich von allen Seiten, knuddelte mich liebevoll und gab mir einen feuchten Schmatz.

 

„Ist der etwa für mich, kann ich den behalten?“

 

Das geht leider nicht Renata, das ist doch mein treuester Begleiter auf all meinen Reisen gewesen. Den kann ich dir leider nicht schenken.“

 

Renate senkte trotzig den Kopf und hielt mich fester.

 

Den gib ich nicht mehr her!“

 

„Ach komm Renata, du darfst ihn gerne mit in mein Zimmer nehmen“, meinte Tante Erna entgegenkommen. „Außerdem freut sich Stupsi bestimmt, wenn du ab und zu mit ihm spielst.“ Dabei zwinkerte sie lustig.

 

Das Gesicht von Renate erhellte sich. Glücklich trug sie mich wie eine Trophäe an ihrem Bruder vorbei.

 

Dieser interessierte sich jedoch auch für mich nicht und blickte desinteressiert. Ich war wohl Kinderkram für ihn.

 

Als Tante Erna das Gästehaus öffnete, kam ihr schon ein Mann entgegen und schloss sie glücklich in seine Arme.

 

Das bist du ja endlich, mein Liebes“, meinte dieser überglücklich, „wie sehr habe ich dich vermisst.“

 

Ja Andi, ich habe mich in den letzten Monaten auch so sehr auf unser Treffen gefreut. Jetzt haben wir vier Wochen nur für uns, hier in unserem geliebten Garmisch, das wird wunderschön.“

 

Jetzt wo dieser Andi da war, zählte ich wohl nicht mehr. Ohne mich weiter zu beachten, ging sie mit ihm hinauf ins Zimmer und ließ mich bei meiner neuen Freundin.

 

Diese strahlte wie ein Honigkuchenpferd und so freute ich mich auch, dass ich noch mehr Zeit mit ihr verbringen konnte. Tante Erna war wohl ganz froh gewesen, dass sie mich nicht im Arm gehabt hatte, ihr Andi hätte bestimmt darüber geschmunzelt. Doch sie hätte mich ihrem Freund zumindest vorstellen können. Das kränkte mich etwas, war ich doch ihr bester Freund und treuester Begleiter. Aber ich war eben nur ein kleiner Stoffhase.

 

„Das ist unser Gästehaus, Stupsi. Hier wirst du die nächste Zeit wohnen. Das Haus hat mein Opa selber gebaut. Leider ist er gestorben, bevor wir da waren“, meinte sie traurig, „unser Zimmer ist das mit dem Balkon und den Blumen davor. Du bist mit Tante Erna im Appartement unten, aber vielleicht darfst du ja auch mal bei mir im Bett schlafen.“

 

 

 

Mir gefiel dieses gemütliche Haus im bäuerlichen Stil und ich war schon sehr gespannt, wie es wohl innen drin aussehen würde. Anschließend zeigte mir Renate den großen Garten, der, nur abgetrennt von der kleinen Griesstraße, vor dem großen Haus stand. Neben dem Garten floss ein kleiner Fluss, den alle nur Mühlbach nannten. Den Namen hatte ich vorhin schon am Torbogen des Hauses gelesen. Irgendwer hatte damals die Fassade bemalt.

 

 

 

Der Name war vermutlich entstanden, als es früher dort noch eine Mühle gab. Direkt am Bach stand ein Holzschuppen. Es sah fast so aus, als würde der direkt in den Bach gehen, fast wie ein Hausboot.

 

Außerdem gab es neben einer tollen Liegewiese noch ein paar Obstbäume und Sträucher. Ein Baum gefiel mir besonders, weil er voller Zwetschgen war. Es war richtig idyllisch hier und so schön ruhig. Man hörte nur das Rauschen des Baches und ein paar Vögel zwitschern.

 

Meine Gedanken wanderten zu Andi zurück. Viel wusste ich nicht von Tante Ernas Freund. Er war wohl im Zweiten Weltkrieg Chemiker gewesen und nach einem Unfall im Labor, bei dem alle außer ihm umgekommen waren, durch seine Verletzungen in den Vorruhestand geschickt worden. Seitdem wohnte er im Gästehaus der Garmischer Oma. Tante Erna, hatte er ein paar Jahre zuvor im Krieg an der damals jugoslawischen Grenze kennengelernt, als diese von Granatsplittern in der Ferse getroffen wurde. Er trug die Schwerverletzte kilometerlang bis zum nächsten Lazarett und wich seitdem nicht mehr von ihrer Seite.

 

Andi hatte sich in die hübsche, rassige, dunkelhaarige Erna verliebt. Seitdem riss der Kontakt zwischen beiden nicht mehr ab und sie trafen sich regelmäßig in Garmisch-Partenkirchen, wo Andi nach seinem Unfall hingezogen war. Er fand dort eine neue Arbeit in der Spielbank.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 2

 

Flieg kleiner Stupsi

 

Wer nicht hören kann, muss fühlen

 

 

 

Ich durfte jetzt mit Renate in den Garten und sie stellte mich ihrem Bruder Stefan vor. Ihre schönen blaue Augen glänzten dabei und ihre Locken wirbelten sich um ihren Kopf. Sie war ein richtig kleiner Sausewind, den ich sofort in mein Herz geschlossen hatte.

 

Nun nimm ihn schon, du Stoffel“, maulte Renate ihren Bruder an, der mich immer noch desinteressiert ansah.

 

Ein Hase pff, das ist doch Kinderkram für kleine Mädchen“, entgegnete ihr große Bruder.

 

Renate war enttäuscht.

 

Das ist nicht irgendein Hase, das ist Stupsi, ein sehr weit gereister Hase. Tante Erna nimmt ihn immer mit und sie ist schon lange erwachsen und viel älter als du. Von wegen Kinderkram. Du bist ja nur neidisch, weil ich ihn zuerst entdeckt habe.“

 

„Ich und neidisch – pah. Ich dürfte genauso mit ihm spielen, wenn ich Tante Erna frage.“

 

„Das darfst du bestimmt nicht!“, entgegnete Renate jetzt zornig. „Du machst ihn ja eh nur kaputt.“

 

Na das waren ja tolle Aussichten. Besser sie gibt mich nicht her.

 

„Ist ja schon gut, ich tu ihm schon nichts. Gib her.“

 

Renate zögerte jetzt etwas. Soll ich ihm Stupsi wirklich geben? Am Schluss ärgert er mich und versteckt ihn.

 

Doch schließlich lenkte sie ein und gab mich ihren Bruder. Stefan betrachtete mich von allen Seiten, drehte mich kurz auf den Kopf und meinte dann: „Ganz nett, dein Stupsi.“ Doch plötzlich holte er aus und schmiss mich in die Luft. „Da fang ihn auf.“

 

Ich machte einen Purzelbaum in der Luft. Renate stürzte in Richtung ihres Bruders und wollte mich auffangen, was ihr jedoch nicht gelang und ich landete auf dem Ast des Zwetschgenbaumes.

 

Du Idiot!“, schimpfte Renate ihren Bruder, „jetzt hängt Stupsi da oben und kann nicht mehr runter. Wir sind viel zu klein um ihn hier runter zu holen. Was sollen wir denn jetzt machen? Wenn Tante Erna kommt und ihren Stupsi am Baum sieht, kriegen wir bestimmt Ärger mit ihr.“

 

Mir doch egal, ist ja nicht mein Hase“, erwiderte Stefan, lenkte dann aber ein, „keine Angst, ich krieg den schon wieder runter. Im Schuppen ist bestimmt eine Leiter.“

 

 

 

Schnellen Schrittes entfernte er sich in Richtung des kleinen Holzschuppens, der direkt vor dem Mühlbach stand.

 

Du weißt doch genau, dass wir nicht alleine in den Schuppen dürfen. Das sag` ich Papi“, versuchte Renate ihren Bruder noch zurückzuhalten. Doch dieser hörte nicht auf seine Schwester und rüttelte bereits an der Holztüre.

 

So ein Mist, die ist einfach verschlossen“, knurrte Stefan und überlegte fieberhaft, was er jetzt tun könnte, „ich glaube der Schlüssel hängt bei der Oma in der Küche. Warte du hier, ich geh ihn holen.“

 

„Nein, ich komme besser mit“, rief ihm Renate nach, doch ihr Bruder war schon an der Gartentüre und rannte ins Haus. Nach einiger Zeit kam er mit einem hochroten Kopf wieder zurück.

 

Oma hätte mich beinahe erwischt, aber ich habe den Schlüssel“ , schnaufte er aufgeregt und zeigte Renate stolz den Schlüssel. Er war schwarz, etwas gebogen und ziemlich lang. Stefan steckte ihn in das alte Schlüsselloch und versuchte die Türe zu öffnen.

 

Das geht vielleicht schwer“, knurrte er und nahm seine zweite Hand zur Hilfe. Er rüttelte noch ein bisschen, bis es schließlich knackte und die Türe aufging.

 

Renate hatte sich mittlerweile an ihn herangeschlichen und lugte in das innere des alten Holzschuppens. Dieser hatte einen kleinen Dachboden auf dem alle möglichen Sachen lagerten, darunter alte Holzski und ein paar komisch gebogene Teile, die auf einem Stil befestigt waren. Wozu sollte das wohl gut sein? Außerdem stand dort ein kleines Auto drin. Stefan, der schon lesen konnte, las vor was auf dem Auto stand: „BMW DIXI.“

 

„Mann ist das ein tolles Auto. Lass uns mal rein sitzen.“

 

„Stefan, das geht nicht. Tante Erna kommt bestimmt bald und will Stupsi sehen.“

 

Jetzt verzog er ärgerlich sein Gesicht.

 

„Jetzt steht da schon mal was spannendes und ich muss mich um den blöden Hasen kümmern. Aber dieses kugelige Auto, das werde ich mir noch genauer anschauen“, ärgerte er sich. Ja, ich such ja schon die blöde Leiter.“

 

Es war ganz schön spannend, was es hier noch alles zu entdecken gab. Doch Stefan interessierte sich weiter nicht. Er schnappte sich die Leiter und war schon wieder verschwunden. Renate hingegen war fasziniert von dem alten Schuppen. Sie konnte die Gegenstände förmlich spüren und auch ihre Geschichte.

 

Leider war der Garmischer Opa schon vor ihrer Geburt gestorben, aber in diesem alten Schuppen spürte sie seine

 

Gegenwart, als ob er noch lebendig wäre. An der Seite waren ein paar größere und kleinere alte Holzski an der Wand befestigt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sie berührte die größeren mit der Hand. Das waren wohl die Skier von ihrem Opa, denn eigenartige Wärme durchströmte ihre kleine Hand. Mit einem Mal wurde sie furchtbar traurig, weil sie ihren Opa nie kennenlernen durfte.

 

Der Schuppen hatte außerdem noch einen Dachboden, auf dem so allerlei lagerte. Um besser sehen zu können, nahm sie sich einen Hocker und stellte sich drauf. Plötzlich hörte sie einen lauten Schrei.

 

„Aua! Dieser blöde Hase“, brüllte Stefan wie am Spieß.

 

Renate erschrak und wäre beinahe selber vom Hocker gefallen. „Stefan, was ist mit dir? Ist dir was passiert?“

 

Sie sprang runter und rannte hinaus. Da sah sie auch schon ihren Bruder auf dem Hosenboden liegen und ich lag auf seinem Bauch. Die Leiter lag neben ihm.

 

„Aua mein Hintern“, jammerte er.

 

Was ist denn passiert Stefan?“, fragte Renate vorsichtig, obwohl sie es bereits erahnte.

 

Die Leiter, die Leiter“, stammelte er, „warum bist du blöde Kuh nicht mitgekommen und hast sie festgehalten?“

 

Renate senkte verlegen den Kopf.

 

„Jetzt bin ich auch noch schuld daran. Es war einfach so toll und interessant in dem alten Schuppen.“, meinte sie unschuldig. Stefan strafte sie mit einem bösen Blick.

 

„Es tut mir echt leid, das wollte ich nicht“, jammerte sie.

 

Jetzt kamen auch schon ihre Eltern angerannt, die den Schrei von Stefan gehört hatten. Renate hob mich auf und versteckte mich schuldbewusst hinter ihrem Rücken.

 

Was ist denn los, was hast du gemacht Stefan?“, rief die Mutter Elfriede und stürzte zu ihrem Sohn, „tut dir was weh Burle?“

 

Nur mein Po“, jammerte Stefan.

 

Mit einem ärgerlichen Blick auf die umgefallene Leiter, hob Papa Sepp seinen Stefan vorsichtig auf.

 

Woher hast du denn die Leiter? Ich habe euch doch gesagt, dass der Schuppen tabu ist“, knurrte er.

 

Stefans Blick wanderte zu Renate, die immer noch ihren Kopf schuldbewusst gesenkt hielt und nichts sagte.

 

Sag Herzilein, was hat dein Bruder wieder angestellt und was versteckst du hinter deinem Rücken?“, fragte er jetzt seine Tochter.

 

Renate hob den Kopf und sah ihren Papi traurig an. Sie konnte ihn einfach nicht anlügen und hielt mich ihm hin. „Das ist Stupsi, Papi“, meinte sie geknickt.

 

Stupsi? Seit wann hast du einen Hasen, der Stupsi heißt? Den kenne ich ja noch gar nicht. Kennst du ihn Friedl?“

 

Die Mutter schüttelte den Kopf, während sie Stefan tröstete und seinen Po massierte. Dieser stöhnte erneut auf. „Oder doch, das ist doch der Hase von der Tante Erna. Ist sie schon da? Wir waren einkaufen und sind gerade erst zurück gekommen. Hat euch denn Oma einfach alleine im Garten gelassen? Das geht doch nicht! Nicht auszudenken, wenn ihr in den Mühlbach geflogen wärt! So gut könnt ihr auch noch nicht schwimmen, besonders Renate nicht.“

 

Wir sind doch keine Babys mehr!“, maulte jetzt Stefan, der sich wieder beruhigt hatte.

 

Das sieht man“, entgegnete Papa, schnappte sich die Leiter und wollte sie zurück in den Schuppen bringen.

 

Papi darf ich mitgehen?“, fragte Renate kleinlaut und hielt mich dabei immer noch fest an sich gepresst.

 

Natürlich Herzilein.“

 

Er nahm sie an der Hand und gemeinsam gingen sie in den Schuppen.

 

Du Papi, ich bin vorhin auf einen Hocker gestiegen und hab die Ski dort oben berührt. Waren das die Ski von deinen Papi, von meinem Opa? Warum lebt Opa nicht mehr? War er schon so alt, weil er nicht mehr lebt?“

 

Papa Sepp seufzte. Sein Vater war vor ein paar Jahren im Alter von 56 Jahren, kurz vor Stefans Geburt und ein Jahr nach seiner Schwester, an einem Herzinfarkt gestorben. Seitdem führte die Oma Gretl das Gästehaus alleine. Er selber hatte durch den Krieg nicht viel von seinem Vater gehabt und war größtenteils von seinen Großeltern, die in Partenkirchen wohnten, erzogen worden. Die Oma war leider nie die Mutter gewesen, die er sich gewünscht hatte und sie war froh gewesen, dass sich die die Großeltern um ihn kümmerten. Sein Vater war ein guter Skifahrer gewesen und hatte ihm das Skifahren beigebracht. Er selber hatte sogar Skispringen gelernt und war von der Olympia Schanze gesprungen.

 

„Ja das waren die Skier von deinem Opa und das sind meine Kinderskier“, meinte er und lächelte still in sich hinein.

 

Warum lächelst du Papi? Bist du nicht traurig, dass er schon tot ist?“, meinte Renate traurig, „ich hätte ihn so gerne kennengelernt.“

 

Ich habe gelächelt, weil er mir auch das Skifahren beigebracht hat. Leider viel später als ihr es gelernt habt. Der Zweite Weltkrieg kam dazwischen.“

 

War mein Opa ein Nazi, wie der Andi?“, fragte Renate.

 

Sie wusste nicht was das bedeutete, aber es war wohl ein Schimpfwort aus dem Krieg, das sie über Andi gehört hatte.

 

Nein, dein Opa war ein Architekt und hatte mit Politik nichts am Hut. Und Andi war auch kein überzeugter Nazi. Das verstehst du aber eh noch nicht. Wenn du mal größer bist, werde ich dir das alles erklären. Ich war ja auch noch ein Kind, während des Krieges. Lass uns jetzt wieder zurück zu den anderen gehen.“

 

Warte mal Papi, was sind denn das für komische Stangen mit dem gebogenen Teil dran. So was hab ich ja noch nie gesehen.“

 

Das meinst du? Das sind Sensen. Mit denen hat man früher das Gras geschnitten. Das geht aber erst, wenn das Gras einen halben Meter hoch steht.“

 

Echt? Das ist ja toll, was es hier alles zu entdecken gibt.“

 

Ja, aber auch gefährlich. An der Schneide kannst du dich verletzten, wenn du hin langst. Außerdem sind sie schon etwas rostig und du könntest eine Blutvergiftung bekommen. Deswegen möchte ich auch nicht, dass ihr dort alleine hineingeht. Ist das klar? Woher habt ihr überhaupt den Schlüssel?“

 

Renate zögerte und flüsterte ihrem Papi ins Ohr: „Nicht weitersagen Papi, den hat sich Stefan vorher aus der Küche geklaut. Bitte nicht der Oma sagen, sonst schimpft sie wieder. Vor der Oma kann man echt Angst haben.“

 

Sepp nahm seine kleine Tochter liebevoll in den Arm.

 

Keine Angst, ich werde den Schlüssel persönlich wieder zurück bringen und werde Oma nichts sagen.“

 

Renate gab ihrem Papi glücklich einen Schmatz.

 

Du bist echt der beste Papi der Welt, ich hab dich ganz doll lieb.“

 

Papa Sepp lächelte seine kleine Renate an und schmunzelte: „So, so, ihr habt euch aber trotzdem eine kleine Strafe verdient. Mal schauen was mir da so einfällt.“

 

Renate lächelte zurück, denn sie wusste genau, dass er das bald wieder vergessen würde. Er war einfach nicht der strenge Papi, das überließ er lieber seiner Frau.

 

Gemeinsam gingen wir wieder zurück. Die Mutter spielte gerade mit Stefan und seinen Autos, um ihn wieder auf andere Gedanken zu bringen.

 

Da seid ihr ja wieder. Eigentlich hätte ich für euch noch eine Überraschung gehabt. Aber nachdem das jetzt passiert ist ... mal schauen.“

 

Eine Überraschung? Bitte Mami, sag schon“, forderte Stefan seine Mutter ungeduldig auf.

 

„Nun ja, der Schüsslbauer bringt morgen seine Schafe ins Nachbargrundstück, damit die für ihn das Gras abmähen. Ob ihr nach dieser Sache heute allerdings morgen noch hingehen dürft, das weiß ich noch nicht“, meinte sie und beim letzten Satz wurde ihr Gesicht etwas strenger. Dabei war sie heilfroh, dass ihrem Stefan nicht viel passiert war und wollte deshalb auch von einer Strafe absehen. Er hatte sich schließlich schon genug erschrocken und auch sein Hinterteil würde ihm noch eine Weile weh tun.

 

Renate aber freute sich und hüpfte von einem Bein aufs anderen, nur Stefan schaute wie immer skeptisch drein. Mit lebenden Tieren hatte er sich nie richtig anfreunden können und er hatte auch ein bisschen Angst vor ihnen. Das ist ja toll“, meinte Renate glücklich und zu mir gewandt, „und du darfst mit zu den Schafen, wenn Tante Erna es erlaubt.“

 

Kurz darauf kamen Tante Erna und ihr Freund in den Garten und suchten mich. Sie hatte ihrem Andi jetzt wohl doch von mir erzählt. Da ist ja mein Stupsi“, meinte sie glücklich und bat Renate mich ihr zu geben. Zögerlich gab sie mich frei und ich sah Andi zum ersten Mal.

 

Dieser machte sich nicht lustig über mich, sondern gab mir galant die Hand und sagte freundlich: „Hallo Stupsi, ich bin Andi und freue mich, dich endlich kennen zu lernen.“

 

Ich konnte es nicht fassen und schloss überglücklich den Freund meiner Tante Erna in mein Herz. Ich hatte gedacht

 

dass er strenger wäre, was sich aber nicht bestätigt hatte.

 

Die Nacht durfte ich ausnahmsweise bei meiner neuen Freundin Renate verbringen. Sie ließ mich die ganze Nacht nicht mehr los und kuschelte mit mir. Ein paarmal wäre ich beinahe erstickt, so fest hielt sie mich, aber ich genoss auch die Wärme, die von ihr ausstrahlte.

 

Ich war schon ganz gespannt, was uns morgen erwarten würde. Am liebsten wäre ich zu Nepomuk gerannt und hätte ihm davon erzählt. Doch das ging leider nicht, weil mich Renate ja ganz fest hielt.

 

Kapitel 3

 

Stefana Angst vor Bezimä

 

Das Mädchen mutig, die Knie blutig“

 

 

 

Am nächsten Tag war es dann soweit. Nach einem üppigen Frühstück, das die Mama Elfriede gemacht hatte, gingen wir zum Nachbargrundstück, wo wir auf die Schafe warteten. Renate durfte mich ausnahmsweise mitnehmen und hielt mich fest in der Hand. Ich war schon sehr gespannt, wie die Schafe aussehen würden. Die Mutter hatte gemeint, dass sie ein ähnliches Fell wie ich hätten und ganz weich wären.

 

Schau mal Stupsi, da vorne sind die Bezimä“, rief sie und hielt mich genau in die Richtung, wo der Bauer vier Schafe vor sich her drängte.

 

Es waren zwei größere, davon eins mit Hörnern und zwei kleinere Kinderschafe. Das größte Schaf mit den Hörnern, vermutlich der Leithammel, führte die Truppe an.

 

„Mäh, mäh, mäh“, riefen die Schafe wild durcheinander.

 

Stefan schien das ganze nicht ganz geheuer und er versteckte sich schnell hinter seiner Mutter. Diese fing schallend an zu lachen und wirkte auch etwas enttäuscht.

 

Du wirst doch nicht etwa Angst vor Schafen haben?“

 

Stefan zitterte jetzt am ganzen Leib.

 

Stefana Angst vor Bäzimä!“

 

Das ist nicht dein Ernst, Stefan! Hast du denn auch Angst vor den kleinen Schafen?“

 

Nein, nur vor dem großen Schaf mit den Hörnern“, meinte er ängstlich, als er hervorlugte und sah, dass die anderen zwei noch ganz klein waren.

 

Das zweite größere hatte er wohl ganz übersehen. Renate war das egal, sie hatte keine Angst. Sie lachte und äffte ihn nach: „Stefana Angst vor Bäzimäääääääää!“

 

Das wurde Stefan jetzt zu blöd. Er nahm die Füße in die Hand und noch bevor die Schafe das umzäunte Grundstück erreicht hatten, war er weg und versteckte sich hinter einem Baum.

 

Renate jedoch, mutig wie immer, rührte sich keinen Millimeter weg und wartete bis das größte Schaf mit den Hörnern da war und neben ihr stand.

 

Schau mal Stupsi, der mit den Hörnern ist Papa Schaf und dahinter Mama Schaf. Mei, schau mal wie nett die kleinen Schafe sind. Die sind bestimmt noch weicher als du.“

 

Dabei streckte sie ihre kleine Hand aus und streichelte das erste kleine Schaf, das vorbeikam. Das kleine Schaf drehte sich zu ihr und schleckte ihre Hand ab.

 

Ih, das kitzelt aber“, lachte sie und hob mich etwas höher, „meinen Stupsi schleckst du aber nicht ab.“

 

Pah der gehört dir gar nicht“, äffte Stefan aus seinem Versteck heraus.

 

Du Feigling, komm lieber her und streichle das süße Schäfchen“, erwiderte Renate cool.

 

Doch Stefan wagte sich nicht aus seinem Versteck heraus. Der Schüsslbauer hatte mittlerweile das Gartentor geöffnet und alle vier Schafe stürmten in den Garten und widmeten sich genüsslich dem frischen, saftigen Gras.

 

Das ist ja so toll Mami, vielen Dank.“

 

Elfriede nahm ihre kleine Tochter in den Arm und gab ihr einen Schmatz. Lieber wäre ihr allerdings gewesen, wenn ihr Stefan nicht so ein Schisser gewesen wäre. Ihre Tochter Renate hingegen verkörperte all das, was man sich eigentlich von einem Jungen wünschte. Sie war stark und unerschütterlich und ließ sich auch von den Jungs nichts gefallen. Sie war es, die sich mit ihnen prügelte, während ihr großer Bruder nach Hause lief und sich bei seiner Mama ausweinte. Renate bekam deshalb auch viel mehr Ärger als er, weil Stefan die Gabe hatte, sie solange zu ärgern, bis sie ausrastete. Und seine Schwester ließ sich immer wieder so lange reizen, bis ihr der Geduldsfaden riss. Wenn Stefan dann auch noch tollwütiger Fuchs rief, dann wurde sie so sauer, dass sie ausrastete und ihre Mutter deshalb meistens mit ihr schimpfte. Das fand Renate ganz schön ungerecht, denn ihr Bruder provozierte sie ja meistens.

 

Komm lass uns jetzt heim gehen“, meinte die Mutter nach einiger Zeit.

 

Der Schüsslbauer war bereits gegangen und hatte das Gartentor wieder abgeschlossen. Die Schaffamilie graste friedlich das Grundstück ab.

 

Stefan hatte sich mittlerweile wieder aus seinem Versteck getraut und betrachtete die Schafe aus sicherer Entfernung, immer noch leicht skeptisch.

 

„Ja, lass uns endlich zurück gehen, Mami“, meinte er gelangweilt.

 

„Ach nein, bitte Mami, darf ich noch ein bisschen hier bleiben und den Schafen zuschauen? Biiiiitte!“, flennte Renate jetzt und rollte ihre Kulleraugen.

 

Nur wenn Stefan auch hier bleibt. Alleine darfst du nicht hier bleiben.“

 

Bleibst du bitte hier mit mir, Stefan?“

 

Dieser, immer noch beleidigt, zog eine Schnute.

 

Na ich weiß nicht, schließlich hast du mich einen Feigling genannt.“

 

Ja, tut mir leid, war nicht so gemeint. Aber es war einfach zu komisch, dass du als Junge Angst vor Bäzimä hast“, kicherte Renate.

 

Ich weiß ja auch nicht, aber als ich die Hörner gesehen habe, ist mir ganz anderes geworden. Wir können ja noch ein bisschen hier bleiben. Ich passe auf Renate auf Mami, versprochen.“

 

Jetzt fühlte er sich wieder als der große Bruder und bäumte sich vor uns auf. Das wiederum fand die Mutter Elfriede natürlich toll und war stolz auf ihren Burli. Sie ging zurück ins Gästehaus und half der Oma Gretl, das Mittagessen zu kochen.

 

Stefan lehnte sich lässig an den Gartenzaun und lächelte. Auf der anderen Seite des Zaunes fühlte er sich sicher.

 

Komm lass uns auf den Zaun sitzen, das ist viel cooler und ich kann dort die Schafe besser sehen. Ich kann ja kaum über den Gartenzaun schauen.“

 

Stefan, der einen Kopf größer war nickte gönnerisch: „Das kannst du schon machen, aber ich bleibe hier unten und halte dich lieber fest.“

 

Na gut. Kannst du bitte mal kurz Stupsi halten, damit ich hochklettern kann?“

 

Na gib ihn schon her, deinen komischen Hasen.“

 

Wie nannte er mich jetzt wieder? Ich war wirklich alles andere als ein komischer Hase. Ich würde ihm dafür am liebsten eine Backpfeife geben. Doch als er mich in seine Arme nahm und Renate mit dem Rücken zu ihm stand, knuddelte er mich ganz kurz und gab mir einen Schmatz.

 

Hoppla, was war denn das jetzt? Du magst mich also doch. Von wegen Kuschelhasen sind nichts für Jungs. Du willst nur immer den coolen Typen abgeben.

 

Währenddessen war Renate, flink wie ein kleiner Affe, auf die Umzäunung geklettert und setzte sich ganz lässig auf die oberste Latte. Ihre kleinen Füße baumelten in der Luft, weil sie die nächste Latte noch nicht erreichen konnten.

 

Ich weiß nicht Renate, pass auf, dass du nicht runter fällst. Du bist noch viel zu klein um dort oben zu sitzen.“

 

Papperlapapp das ist doch Kinderkram. Schließlich klettere ich auf unser Baumhaus im Forstenrieder Park auch hoch. Und von der Kletterstange auf unserem Spielplatz mach ich mit dem Laimer Opa sogar immer einen Salto. Warum sollte ich also nicht auf so einem pipifatz Balken sitzen können.“

 

Stefan wusste, dass sie recht hatte. Seine Schwester war wirklich ein kleines Äffchen und kletterte überall hoch. Kein Baum war ihr zu hoch und selbst in das Silo am Fürstenrieder Schloss war sie schon hinein geklettert. Sie war eigentlich immer schon viel mutiger als er gewesen, deshalb beneidete er seine kleine Schwester manchmal.

 

Soll ich jetzt die ganze Zeit deinen doofen Hasen halten?“, knurrte er, denn eigentlich wollte auch er sich auf den Balken setzen.

 

Das ging aber nicht, weil er ja vor den Schafen Angst hatte. Diese waren mittlerweile ganz nah an Renates Füße ran gekommen. Sie hatte offene Sandalen an und Mama Schaf fand wohl Gefallen daran und schleckte ihr genüsslich den großen Zehen ab.

 

Ihhhh, das kitzelt vielleicht“, lachte Renate auf, „Stefan halt mich bitte fest, sonst flieg ich vor lauter Kitzeln um.“

 

Na gut, dann nimmst du aber deinen Stupsi wieder.“

 

Renate nahm mich in die eine Hand und hielt sich mit der anderen am obersten Balken fest.

 

In dem Moment kam Papa Schaf und wollte am anderen Fuß von Renate schlecken. Vor lauter Schreck ließ sie mich fallen und noch bevor sie Stefan festhalten konnte, fiel Renate kopfüber auf Mama Schaf, das entsetzt zurückwich. Auch Papa Schaf war so erschrocken, dass er einen Satz zurück machte.

 

Aua, mein Knie “, schrie Renate und hielt sich das blutende Knie, das sie sich beim Sturz eingefangen hatte.

 

Das war ja mal was ganz neues, dass sie ein blutiges Knie hatte. Mittlerweile waren ihre Knie schon von lauter kleinen Narben überzogen. Renate fand es cool, freihändig um die Kurven zu fahren und das meistens auch noch barfuß. Neben den blutigen Knien hatte sie so auch öfters einen blutigen großen Zeh.

 

 

 

Nun hilf mir schon endlich Stefan“, flennte seine kleine Schwester jetzt.

 

Ich kann doch nicht - die Schafe“, flennte er zurück., „ich geh da nicht rein!“

 

Dann mach wenigstens das Gartentor auf, damit ich raus kann.“

 

Renate war mittlerweile aufgestanden, hob mich aus dem hohen Gras und drehte sich nochmal zu den Schafen um, die sie dämlich anstarrten.

 

Mäh, mäh“, blökten ihr Papa Schaf entgegen und sah Stefan dabei böse an. Es klang so wie „den schnappe ich mir!“

 

„Siehst du, der hat es auf mich abgesehen!“

 

Doofe Schafe“, maulte Renate schmerzerfüllt in Richtung Papa Schaf, strafte es auch mit einem bösen Blick und ging zur bereits geöffneten Gartentüre. Ihr großer Bruder erwartete sie bereits.

 

„Ich hab ja gleich gesagt, dass der gefährlich ist“, meinte Stefan und mit einem besorgten Blick auf Renates Knie, „oh das sieht aber nicht gut aus und blutet ganz schön.“

 

Renate nickte nur tapfer und nahm dankbar seinen Arm, den er ihr hilfreich hin hielt.

 

Sag einfach, ich wäre auf dem Weg gestolpert, dann bekommen wir keinen Ärger“, forderte sie ihren Bruder auf.

 

Ja, so machen wir das“, grinste Stefan.

 

Zuhause wurde nach einer kurzen Schimpfgewitter, Renates Wunde von der Mama versorgt und sie bekam Jod drauf, das höllisch brannte. Doch tapfer wie sie war, verzog sie dabei keine Miene. Dann noch ein großes Pflaster und die Welt war wieder in Ordnung.

 

Leider war das Wochenende zu Ende und die Familie fuhr wieder zurück nach München. Ich musste jetzt die ganze Woche warteten, bis meine neue Freundin und ihr Bruder wieder kommen würde.

 

Tante Erna und Andi unternahmen sehr viel ohne mich, denn Erwachsene konnten ja schlecht mit einem Stoffhasen Bergwandern oder etwas anderes unternehmen. Das hatte ich mir anders vorgestellt. Nachdem es ohne die beiden noch langweiliger in dem Gästehaus war und sich niemand um mich gekümmert hatte, schlich ich mich unter der Woche nachts, wenn alle schliefen aus dem Haus und besuchte meinen Freund Nepomuk. Wir quasselten oft die ganze Nacht und ich erzählte ihm was ich gesehen hatte, oder wir redeten über unsere gemeinsamen Reiseerlebnisse. Er stand jetzt auch schon eine Weile auf dem Parkplatz und war dankbar um jede Abwechslung, die er bekam. Davon durfte natürlich nie jemand etwas mitbekommen, denn ich war ja nur ein Stoffhase, konnte also weder gehen noch sprechen. Dass der Käfer Nepomuk ein ganz besonderes Auto und ich ein ganz besonderer Hase war, das wusste nicht einmal Tante Erna.

 

Am Freitag wartete ich also ungeduldig, bis Renate kam. Tante Erna bemerkte wohl, dass ich nervös war und zog mich auf.

 

Na Stupsi, du freust dich bestimmt auf Renate, oder warum rutschst du so ungeduldig auf dem Sofa herum?“

 

Mist, hatte sie etwa gesehen, dass ich mich kurz bewegt hatte? Oder war das nur so eine Redensart? Doch in ihrem Gesicht konnte ich nichts Überraschendes feststellen. Vermutlich hatte sie das nur gesagt, weil sie selber ganz nervös war. Sie hatte ja selber keine Kinder und freute sich auf die beiden. Nachdem Stoffhasen offiziell nicht reden können, schenkte ich ihr mein schönstes Lächeln.

 

Tante Erna knuddelte mich liebevoll. „Ach Stupsi, wenn ich dich nicht hätte. Du bist mir das Liebste auf der Welt, dich gebe ich nie mehr her.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für meine Lieben

 

 

Kinder sind Inspiration“

 

 

 

Dieses Buch widme ich meinen

 

Kindern - zukünftigen Nachfahren und allen lese - und abenteuer- begeisterten Kindern.

 

Ich hoffe, ihr habt genauso viel

 

Spaß beim Lesen, wie ich

 

beim Schreiben hatte.

 

 

 

 

 

Herzlichst Eure Renate Roy

 

 

 

 

 

 

 

 

 

I N H A L T S V E R Z E I C H N I S :

 

Kapitel 1:

Wie alles begann

Ein kleiner Hase fein - wollte mein Freund sein“

 

Kapitel 2:

Flieg kleiner Stupsi

Wer nicht hören will, muss fühlen

 

Kapitel 3:

Stefana Angst vor Bezimä

Das Mädchen mutig – die Knie blutig

 

Kapitel 4:

Nasses Vergnügen

Ein kleiner Schritt – ein Fehltritt

 

Kapitel 5:

Abenteuer mit der Wildgans

Flieg hoch kleiner Hase

 

Kapitel 6:

Majestätischer Berggipfel

Des Adlers Welt – die Freundschaft hält

 

Kapitel 7:

Das Wiedersehen

Was zusammen gehört – niemand zerstört

 

 

 

 

 

Kapitel 1

 

Wie alles begann

 

Ein kleiner Hase fein - wollte mein Freund sein“

 

 

 

Hallo Kinder, ich bin Stupsi, ein ganz besonderer Stoffhase. Ich bin schon an die 50 Jahre alt, habe immer eine blaue Wollhose und ein kariertes Hemd an. Meine großen blauen ovalen Augen verdrehe ich manchmal und alle sind dann immer entzückt von mir.

 

Wie alt ich genau bin, kann ich euch leider nicht sagen, da ich eigentlich nie eine richtige Geburtsfeier. Dafür war ich an sehr vielen Geburtstagen meiner Mama dabei, wobei ich in meinem Leben eigentlich zwei Mamas hatte.

 

Meine erste Mama nannten alle immer Tante Erna. Das war eine etwas verrückte, aber außergewöhnliche Frau, mit der ich fast ganz Europa bereisen durfte.

 

Immer mit dabei war unser Freund Nepomuk, ein kleiner weißer VW Käfer. Er war zwar nicht so bekannt wie der Fernsehheld Herbie, aber er war mein bester Freund. Mit ihm konnte ich immer über alles reden und meine Erlebnisse teilen. Er hörte mir immer zu, auch wenn ich mal traurig war, was allerdings sehr selten vorkam. An einem sonnigen Frühlingstag durfte ich zum ersten Mal zusammen mit Tante Erna und Nepomuk in ihre zweite Heimat Garmisch - Partenkirchen fahren.

 

Das ist eine Kleinstadt, die am Rande von Südbayern, an der Grenze zu Tirol in Österreich liegt. Sie liebte diese kleine Stadt am Fuße des größten Berges in Deutschland, der Zugspitze und einer gigantischen Bergkulisse, die aus der Alpspitze, den Waxenstoana und noch ein paar anderen Bergen besteht. Meine Tante Erna ging nämlich sehr gerne wandern und hatte mich dieses Mal mitgenommen.

 

 

 

 

 

Ich hoffte, dass ich auf den größten Berg, die Zugspitze kommen würde, das hatte ich mir fest vorgenommen. Die Kulisse, die sich uns bot, als wir Garmisch-Partenkirchen erreichten, war einfach göttlich, obwohl es etwas bewölkt war. Damit ich bisschen besser sehen konnte, hatte mich Tante Erna direkt ans Fenster gesetzt. Langsam zuckelten wir so auf Garmisch - Partenkirchen zu und selbst Nepomuk war davon so entzückt, dass er ein paar Fehlzündungen losließ und vor sich hin knatterte. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen und zog leicht die Mundwinkel hoch. Wir freuten uns wohl beide über die Berge.

 

Tante Erna bemerkte es Gott sei Dank nicht. Das war mal wieder mal typisch Nepomuk, der auf sich aufmerksam machen wollte. So wie der Fernsehheld Herbie selber hupen, das traute er sich natürlich nicht , denn das hätte wohl auch Tante Erna skeptisch gemacht. Aber ein paar Fehlzündungen waren bei einem alten Käfer nichts Ungewöhnliches. Meine Tante Erna war außergewöhnlich und etwas verrückter als andere Menschen, aber das hätte selbst sie nicht geglaubt, dass Nepomuk lebte. Auch in mir sah sie nur einen Stoffhasen, den sie sehr liebte und knuddeln konnte und der ihr immer zuhörte. Wie gerne hätte ich mit ihr geredet, doch das ging ja leider nicht.

 

Ab und zu nahm sie mich in den Arm, umarmte mich ganz liebevoll und küsste mich auf meine Stupsnase, an der ein paar Haare seitlich herausragten. Wie uns das beide immer kitzelte. Daher war sie wohl auf meinen Namen Stupsi gekommen.

 

Na Nepomuk, du bist wohl auch froh, dass wir bald da sind“, lachte jetzt Tante Erna, während sie sich mit einer Hand an den Nacken fuhr.

 

Die lange Fahrt hatte ihr zu schaffen gemacht und sie war froh, endlich anzukommen. Aber sie freute sich auf ihren Urlaub und auch dass sie ihren geliebten Freund Andi dort wiedersehen würde. Wir bogen gerade zum Parkplatz des Gästehauses ein, als uns schon ein kleines Mädchen freudig entgegen kam.

 

Da kommt endlich Tante Erna mit Nepomuk!“, schrie das kleine dunkelblonde Mädchen aufgeregt.

 

Ich spitzte meine langen Hasenohren. Was war denn das für ein kleines Mädchen? Sie sah total süß aus, mit ihren wirren Locken und sie hatte die gleiche Stupsnase wie ich und blaue Augen. Ich war vom ersten Moment an entzückt von diesem kleinen Mädchen.

 

Hu hu Renata, meine liebe Renata“, rief Tante Erna zurück und winkte mit der Hand aus dem Fenster.

 

Das kleine Mädchen lief jetzt aufgeregt auf uns zu. Tante Erna stoppte den Wagen auf dem Parkplatz, lief dem Mädchen entgegen und schloss es glücklich in die Arme.

 

Wer war nur dieses kleine Mädchen, das sie so herzhaft begrüßte? Ich wurde fast etwas eifersüchtig. Jetzt kam auch noch ein etwas größerer Junge aus dem Garten und schaute neugierig, wohin seine kleine Schwester gelaufen war. Ach so, es war nur Tante Erna.

 

Stefan, Stefan, Tante Erna ist da!“, kreischte Renate.

 

Stefana, komm doch auch her mein Großer“, rief ihm Tante Erna zu, doch Stefan interessierte das wenig. Tante Erna war für ihn nur eine verrückte, ältere Dame.

 

Hallo Tante Erna“, rief er gelangweilt, winkte kurz mit der rechten Hand seiner Tante und wollte verschwinden.

 

 

 

Renate zögerte nicht lange, nahm die Hand ihres Bruder und zog ihn hinter sich her. Typisch dein großer Bruder“, meinte Tante Erna lächelnd, strich Stefan nur kurz über sein blondes Haar. Gemeinsam gingen sie nochmal zurück zu Nepomuk, um Tante Ernas Tasche zu holen, die am Beifahrersitz lag.

 

Oh mein Gott, wer ist denn das?“, murmelte Renate verzückt, als sie mich erblickte.

 

Meinst du im Auto? Das ist Stupsi, mein Hase. Ich habe ihn schon sehr lange und er war mir immer ein treuer Begleiter auf meinen Reisen. Ich habe ihn bisher nur noch nie mit hier hergenommen, weil ich mich vor meinem Freund dem Andi nicht lächerlich machen wollte.“

 

Dabei rollte sie lustig ihre Augen.

 

„Hi hi meine Tante Erna. Moi, ist der aber süß“, meinte Renate entzückt, öffnete die Türe und nahm mich aus dem Auto. Sie betrachtete mich von allen Seiten, knuddelte mich liebevoll und gab mir einen feuchten Schmatz.

 

„Ist der etwa für mich, kann ich den behalten?“

 

Das geht leider nicht Renata, das ist doch mein treuester Begleiter auf all meinen Reisen gewesen. Den kann ich dir leider nicht schenken.“

 

Renate senkte trotzig den Kopf und hielt mich fester.

 

Den gib ich nicht mehr her!“

 

„Ach komm, du darfst ihn aber gerne mit in mein Zimmer nehmen“, meinte Tante Erna entgegenkommend, „Stupsi freut sich bestimmt, wenn du ab und zu mit ihm spielst.“

 

Das Gesicht von Renate erhellte sich. Glücklich trug sie mich wie eine Trophäe an ihrem Bruder vorbei.

 

Dieser interessierte sich jedoch auch für mich nicht und blickte desinteressiert. Ich war wohl Kinderkram für ihn.

 

Als Tante Erna das Gästehaus öffnete, kam ihr ein schon Mann entgegen und schloss sie glücklich in seine Arme.

 

Das bist du ja endlich, mein Liebes“, meinte dieser überglücklich, „wie sehr habe ich dich vermisst.“

 

Ja Andi, ich habe mich in den letzten Monaten auch so sehr auf unser Treffen gefreut. Jetzt haben wir vier Wochen nur für uns, hier in unserem geliebten Garmisch - das wird wunderschön.“

 

Jetzt wo dieser Andi da war, zählte ich wohl nicht mehr. Ohne mich weiter zu beachten, ging sie mit ihm hinauf ins Zimmer und ließ mich bei meiner neuen Freundin.

 

Diese strahlte wie ein Honigkuchenpferd und so freute auch ich mich, dass ich noch mehr Zeit mit ihr verbringen konnte. Tante Erna war wohl ganz froh gewesen, dass sie mich nicht im Arm gehabt hatte, ihr Andi hätte bestimmt darüber geschmunzelt. Doch sie hätte mich ihrem Freund zumindest vorstellen können. Das kränkte mich etwas, war ich doch ihr bester Freund und treuester Begleiter. Aber ich war eben nur ein kleiner Stoffhase.

 

„ Das ist unser Gästehaus, Stupsi. Hier wirst du die nächste Zeit wohnen. Das Haus hat mein Opa selber gebaut. Leider ist er gestorben, bevor wir da waren“, meinte sie traurig, „unser Zimmer ist das mit dem Balkon und den Blumen davor. Du bist mit Tante Erna im Appartement unten, aber vielleicht darfst du ja auch mal bei mir im Bett schlafen.“

 

 

 

 

 

Mir gefiel dieses gemütliche Haus im bäuerlichen Stil und ich war schon sehr gespannt, wie es innen drin aussehen würde. Anschließend zeigte mir Renate den großen Garten, der, nur abgetrennt von der kleinen Griesstraße, vor dem großen Haus stand. Neben dem Garten floss ein kleiner Fluss, den alle nur Mühlbach nannten. Den Namen hatte ich vorhin schon am Torbogen des Hauses gelesen. Irgendwer hatte damals die Fassade bemalt

 

 

 

Der Name war vermutlich entstanden, als es früher dort noch eine Mühle gab. Direkt am Bach stand ein Holzschuppen. Es sah fast so aus, als würde der direkt in den Bach gehen, fast wie ein Hausboot.

 

Außerdem gab es neben einer tollen Liegewiese noch ein paar Obstbäume und Sträucher. Ein Baum gefiel mir besonders, weil er voller Zwetschgen war. Es war richtig idyllisch hier und so schön ruhig. Man hörte nur das Rauschen des Baches und ein paar Vögel zwitschern.

 

Meine Gedanken wanderten zu Andi zurück. Viel wusste ich nicht von Tante Ernas Freund. Er war wohl im Zweiten Weltkrieg Chemiker gewesen und nach einem Unfall im Labor, bei dem alle außer ihm umgekommen waren, durch seine Verletzungen in den Vorruhestand geschickt worden. Seitdem wohnte er im Gästehaus der Garmischer Oma. Tante Erna, hatte er ein paar Jahre zuvor im Krieg an der damals jugoslawischen Grenze kennengelernt, als diese von Granatsplittern in der Ferse getroffen wurde. Er trug die Schwerverletzte kilometerlang bis zum nächsten Lazarett und wich seitdem nicht mehr von ihrer Seite.

 

hatte sich in die hübsche, rassige, dunkelhaarige Erna verliebt. Seitdem riss der Kontakt zwischen beiden nicht mehr ab und sie trafen sich regelmäßig in Garmisch-Partenkirchen, wo Andi nach seinem Unfall hingezogen war. Er fand dort eine neue Arbeit in der Spielbank.

 

 

 

 

 

Kapitel 2

 

Flieg kleiner Stupsi

 

Wer nicht hören kann, muss fühlen

 

 

 

Ich durfte jetzt mit Renate in den Garten und sie stellte mich ihrem Bruder Stefan vor. Ihre schönen blaue Augen glänzten dabei und ihre Locken wirbelten sich um ihren Kopf. Sie war ein richtig kleiner Sausewind, den ich sofort in mein Herz geschlossen hatte.

 

Nun nimm ihn schon, du Stoffel“, maulte Renate ihren Bruder an, der mich immer noch desinteressiert ansah.

 

Ein Hase pff, das ist doch Kinderkram für kleine Mädchen“, entgegnete ihr große Bruder.

 

Renate war enttäuscht.

 

Das ist nicht irgendein Hase, das ist Stupsi, ein sehr weit gereister Hase. Tante Erna nimmt ihn immer mit und sie ist schon lange erwachsen und viel älter wie du. Von wegen Kinderkram. Du bist ja nur neidisch, weil ich ihn zuerst entdeckt habe.“

 

„Ich und neidisch – pah. Ich dürfte genauso mit ihm spielen, wenn ich Tante Erna frage.“

 

„Das darfst du bestimmt nicht!“, entgegnete Renate jetzt zornig. „Du machst ihn ja eh nur kaputt.“

 

Na das waren ja tolle Aussichten. Besser sie gibt mich nicht her.

 

„Ist ja schon gut, ich tu ihm schon nichts. Gib her.“

 

Renate zögerte jetzt etwas. Soll ich ihm Stupsi wirklich geben? Am Schluss ärgert er mich und versteckt ihn.

 

Doch schließlich lenkte sie ein und gab mich ihren Bruder. Stefan betrachtete mich von allen Seiten, drehte mich kurz auf den Kopf und meinte dann: „Ganz nett, dein Stupsi.“ Doch plötzlich holte er aus und schmiss mich in die Luft. „Da fang ihn auf.“

 

Ich machte einen Purzelbaum in der Luft. Renate stürzte in Richtung ihres Bruders und wollte mich auffangen, was ihr jedoch nicht gelang und ich landete auf dem Ast des Zwetschgenbaumes.

 

Du Idiot!“, schimpfte Renate ihren Bruder, „jetzt hängt Stupsi da oben und kann nicht mehr runter. Wir sind viel zu klein um ihn hier runter zu holen. Was sollen wir denn jetzt machen? Wenn Tante Erna kommt und ihren Stupsi am Baum sieht, kriegen wir bestimmt Ärger mit ihr.“

 

Mir doch egal, ist ja nicht mein Hase“, erwiderte Stefan, lenkte dann aber ein, „keine Angst, ich krieg den schon wieder runter. Im Schuppen ist bestimmt eine Leiter.“

 

 

 

 

 

Schnellen Schrittes entfernte er sich in Richtung des kleinen Holzschuppens, der direkt vor dem Mühlbach stand.

 

Du weißt doch genau, dass wir nicht alleine in den Schuppen dürfen. Das sag` ich Papi“, versuchte Renate ihren Bruder noch zurückzuhalten. Doch dieser hörte nicht auf seine Schwester und rüttelte bereits an der Holztüre.

 

So ein Mist, die ist einfach verschlossen“, knurrte Stefan und überlegte fieberhaft, was er jetzt tun könnte, „ich glaube der Schlüssel hängt bei der Oma in der Küche. Warte du hier, ich geh ihn holen.“

 

„Nein, ich komme besser mit“, rief ihm Renate nach, doch ihr Bruder war schon an der Gartentüre und rannte ins Haus. Nach einiger Zeit kam er mit einem hochroten Kopf wieder zurück.

 

Oma hätte mich beinahe erwischt, aber ich habe den Schlüssel“ , schnaufte er aufgeregt und zeigte Renate stolz den Schlüssel. Er war schwarz, etwas gebogen und ziemlich lang. Stefan steckte ihn in das alte Schlüsselloch und versuchte die Türe zu öffnen.

 

Das geht vielleicht schwer“, knurrte er und nahm seine zweite Hand zur Hilfe. Er rüttelte noch ein bisschen, bis es schließlich knackte und die Türe aufging.

 

Renate hatte sich mittlerweile an ihn herangeschlichen und lugte in das innere des alten Holzschuppens. Dieser hatte einen kleinen Dachboden auf dem alle möglichen Sachen lagerten, darunter alte Holzski und ein paar komisch gebogene Teile, die auf einem Stil befestigt waren. Wozu sollte das wohl gut sein? Außerdem stand dort ein kleines Auto drin. Stefan, der schon lesen konnte, las vor was auf dem Auto stand: „BMW DIXI.“

 

„Mann ist das ein tolles Auto. Lass uns mal rein sitzen.“

 

„Stefan, das geht nicht. Tante Erna kommt bestimmt bald und will Stupsi sehen.“

 

Jetzt verzog er ärgerlich sein Gesicht.

 

„Jetzt steht da schon mal was spannendes und ich muss mich um den blöden Hasen kümmern. Aber dieses kugelige Auto, das werde ich mir noch genauer anschauen“, ärgerte er sich. Ja, ich such ja schon die blöde Leiter.“

 

Es war ganz schön spannend, was es hier noch alles zu entdecken gab. Doch Stefan interessierte sich weiter nicht. Er schnappte sich die Leiter und war schon wieder verschwunden. Renate hingegen war fasziniert von dem alten Schuppen. Sie konnte die Gegenstände förmlich spüren und auch ihre Geschichte.

 

Leider war der Garmischer Opa schon vor ihrer Geburt gestorben, aber in diesem alten Schuppen spürte sie seine

 

Gegenwart, als ob er noch lebendig wäre. An der Seite waren ein paar größere und kleinere alte Holzski an der Wand befestigt. Sie berührte die größeren mit der Hand. Das müssen die Ski von Opa sein. Eine ganz eigenartige Wärme durchströmte ihre kleine Hand. Mit einem Mal wurde sie furchtbar traurig, weil sie ihren Opa nie kennenlernen durfte.

 

 

 

 

Der Schuppen hatte außerdem noch einen Dachboden, auf dem so allerlei lagerte. Renate nahm sich einen Hocker, und stellte sich drauf, damit sie besser sehen konnte. Plötzlich hörte sie einen lauten Schrei.

 

„Aua! Dieser blöde Hase“, brüllte Stefan wie am Spieß.

 

Renate erschrak und wäre beinahe selber vom Hocker gefallen. „Stefan, was ist mit dir? Ist dir was passiert?“

 

Sie sprang runter und rannte hinaus. Da sah sie auch schon ihren Bruder auf dem Hosenboden liegen und ich lag auf seinem Bauch. Die Leiter lag neben ihm.

 

„Aua mein Hintern“, jammerte er.

 

Was ist denn passiert Stefan?“, fragte Renate vorsichtig, obwohl sie es bereits erahnte.

 

Die Leiter, die Leiter“, stammelte er, „warum bist du blöde Kuh nicht mitgekommen und hast sie festgehalten?“

 

Renate senkte verlegen den Kopf.

 

„Jetzt bin ich auch noch schuld daran. Es war einfach so toll und interessant in dem alten Schuppen.“

 

Stefan strafte sie mit einem bösen Blick.

 

„Es tut mir ja leid das wollte ich nicht“, jammerte sie.

 

Jetzt kamen auch schon ihre Eltern angerannt, die den Schrei von Stefan gehört hatten. Renate hob mich auf und versteckte mich schuldbewusst hinter ihrem Rücken.

 

Was ist denn los, was hast du gemacht Stefan?“, rief die Mutter Elfriede und stürzte zu ihrem Sohn, „tut dir was weh Burle?“

 

Nur mein Po“, jammerte Stefan.

 

Vorsichtig half der Vater seinem Sohn, mit einem ärgerlichen Blick auf die umgefallene Leiter, wieder auf die Beine.

 

Woher hast du die Leiter? Ich habe euch doch gesagt, dass der Schuppen tabu ist“, knurrte er.

 

Stefans Blick wanderte zu Renate, die schuldbewusst immer noch den Kopf gesenkt hielt und nichts sagte.

 

Sag Herzilein, was hat dein Bruder wieder angestellt und was versteckst du hinter deinem Rücken?“, fragte er jetzt seine Tochter.

 

Renate hob den Kopf und sah ihren Papi traurig an. Sie konnte ihn einfach nicht anlügen und hielt mich ihm hin. „Das ist Stupsi, Papi“, meinte sie schuldbewusst.

 

Stupsi? Seit wann hast du einen Hasen, der Stupsi heißt? Den kenne ich ja noch gar nicht. Kennst du ihn Friedl?“

 

Die Mutter schüttelte den Kopf, während sie Stefan tröstete und seinen Po massierte. Dieser stöhnte auf.

 

Ah doch, das ist doch der Hase von der Tante Erna. Ist die schon da? Wir waren einkaufen und sind gerade erst zurück gekommen. Hat euch denn Oma einfach alleine im Garten gelassen? Das geht doch nicht! Nicht auszudenken, wenn ihr in den Mühlbach geflogen wärt! So gut könnt ihr auch noch nicht schwimmen, besonders Renate nicht.“

 

Wir sind doch keine Babys mehr!“, maulte jetzt Stefan, der sich wieder beruhigt hatte.

 

Das sieht man“, entgegnete Papa, schnappte sich die Leiter und wollte sie zurück in den Schuppen bringen.

 

Papi darf ich mitgehen?“, fragte Renate kleinlaut und hielt mich dabei immer noch fest an sich gepresst.

 

Natürlich Herzilein.“

 

Er nahm sie an der Hand und gemeinsam gingen sie in den Schuppen.

 

Du Papi, ich bin vorhin auf einen Hocker gestiegen und hab die Ski dort oben berührt. Waren das die Ski von deinen Papi, von meinem Opa? Warum lebt Opa nicht mehr? War er schon so alt, weil er nicht mehr lebt?“

 

Papa Sepp seufzte. Sein Vater war vor ein paar Jahren im Alter von 56 Jahren, kurz vor Stefans Geburt, an einem Herzinfarkt gestorben, ein Jahr nachdem seine Schwester gestorben war. Seitdem führte die Oma Gretl das Gästehaus alleine. Er selber hatte durch den Krieg nicht viel von seinem Vater gehabt und war größtenteils von seinen Großeltern, die in Partenkirchen wohnten, erzogen worden. Die Oma war leider nie die Mutter gewesen, die er sich gewünscht hatte und sie war froh gewesen, dass sich die die Großeltern um ihn kümmerten. Sein Vater war ein guter Skifahrer gewesen und hatte ihm das Skifahren beigebracht. Er selber hatte sogar Skispringen gelernt und war von der Olympia Schanze gesprungen.

 

„Ja das waren die Ski von deinem Opa und das sind meine Kinderski“, meinte er und lächelte still in sich hinein.

 

Warum lächelst du Papi? Bist du nicht traurig, dass er schon tot ist?“, meinte Renate traurig, „ich hätte ihn so gerne kennengelernt.“

 

Ich habe gelächelt, weil er mir auch das Skifahren beigebracht hat. Leider viel später als ihr es gelernt habt. Der zweite Weltkrieg kam dazwischen.“

 

War mein Opa ein Nazi, wie der Andi?“, fragte Renate.

 

Sie wusste nicht was das bedeutete, aber es war wohl ein Schimpfwort aus dem Krieg, das sie über Andi gehört hatte.

 

Nein, dein Opa war ein Architekt und hatte mit Politik nichts am Hut. Und Andi war auch kein überzeugter Nazi. Das verstehst du aber eh noch nicht. Wenn du mal größer bist, werde ich dir das alles erklären. Ich war ja auch noch ein Kind, während des Krieges. Lass uns jetzt wieder zurück zu den anderen gehen.“

 

Warte mal Papi, was sind denn das für komische Stangen mit dem gebogenen Teil dran. So was hab ich ja noch nie gesehen.“

 

Das meinst du? Das sind Sensen. Mit denen hat man früher das Gras geschnitten. Das geht aber erst, wenn das Gras einen halben Meter hoch steht.“

 

Echt? Das ist ja toll, was es hier alles zu entdecken gibt.“

 

Ja, aber auch gefährlich. An der Schneide kannst du dich verletzten, wenn du hin langst. Außerdem sind sie schon etwas rostig und du könntest eine Blutvergiftung bekommen. Deswegen möchte ich auch nicht, dass ihr dort alleine hineingeht. Ist das klar? Woher habt ihr überhaupt den Schlüssel?“

 

Renate zögerte und flüsterte ihrem Papi ins Ohr: „Nicht weitersagen Papi, den hat sich Stefan vorher aus der Küche geklaut. Bitte nicht der Oma sagen, sonst schimpft sie wieder. Vor der Oma kann man echt Angst haben.“

 

Sepp nahm seine kleine Tochter liebevoll in den Arm.

 

Keine Angst, ich werde den Schlüssel persönlich wieder zurück bringen und werde Oma nichts sagen.“

 

Renate gab ihrem Papi glücklich einen Schmatz.

 

Du bist echt der beste Papi der Welt, ich hab dich ganz doll lieb.“

 

Papa Sepp lächelte seine kleine Renate an und schmunzelte: „So, so, ihr habt euch aber trotzdem eine kleine Strafe verdient. Mal schauen was mir da so einfällt.“

 

Renate lächelte zurück, denn sie wusste genau, dass er das bald wieder vergessen würde. Er war einfach nicht der strenge Papi, das überließ er lieber seiner Frau.

 

Gemeinsam gingen wir wieder zurück. Die Mutter spielte gerade mit Stefan und seinen Autos, um ihn wieder auf andere Gedanken zu bringen.

 

Da seid ihr ja wieder. Eigentlich hätte ich für euch noch eine Überraschung gehabt. Aber nachdem das jetzt passiert ist ... mal schauen.“

 

Eine Überraschung? Bitte Mami, sag schon“, forderte Stefan seine Mutter ungeduldig auf.

 

„Nun ja, der Schüsslbauer bringt morgen seine Schafe ins Nachbargrundstück, damit die für ihn das Gras abmähen. Ob ihr da nach dieser Sache allerdings morgen noch hingehen dürft, das weiß ich noch nicht“, meinte sie und dabei wurde ihr Gesicht beim letzten Satz etwas strenger.

 

Dabei war sie heilfroh, dass ihrem Stefan nicht viel passiert war und wollte deshalb auch von einer Strafe absehen. Er hatte sich schließlich schon genug erschrocken und auch sein Hinterteil würde ihm noch eine Weile weh tun.

 

Renate freute sich und hüpfte von einem Bein aufs anderen, nur Stefan schaute wie immer skeptisch drein. Mit lebenden Tieren hatte er sich nie richtig anfreunden können. Das ist ja toll“, meinte Renate glücklich und zu mir gewandt, „und du darfst mit zu den Schafen, wenn Tante Erna es erlaubt.“

 

Kurz darauf kamen Tante Erna und ihr Freund in den Garten und suchten mich. Sie hatte ihrem Andi jetzt wohl doch von mir erzählt.

 

Da ist ja mein Stupsi“, meinte sie glücklich und bat Renate mich ihr zu geben. Zögerlich gab sie mich frei und ich sah Andi zum ersten Mal.

 

Dieser machte sich nicht lustig über mich, sondern gab mir galant die Hand und sagte freundlich: „Hallo Stupsi, ich bin Andi und freue mich dich endlich kennen zu lernen.“

 

Ich konnte es nicht fassen und schloss überglücklich den Freund meiner Tante Erna in mein Herz. Ich hatte gedacht

 

dass er strenger wäre, was sich aber nicht bestätigt hatte.

 

Die Nacht durfte ich ausnahmsweise bei meiner neuen Freundin Renate verbringen. Sie ließ mich die ganze Nacht nicht mehr los und kuschelte mit mir. Ein paarmal wäre ich beinahe erstickt, so fest hielt sie mich, aber ich genoss auch die Wärme, die von ihr ausstrahlte.

 

Ich wart schon ganz gespannt, was uns morgen erwarten würde. Am liebsten wäre ich zu Nepomuk gerannt und hätte ihm davon erzählt. Doch das ging leider nicht, weil mich ja Renate fest hielt.